Beschleunigung von Planungsprozessen und Bürokratieabbau: Perspektiven aus Praxis und Politik – Ergebnisse des DVWG-Kolloquiums der Bezirksvereinigung Oberrhein am 29.07.2025
Der beschleunigte Ausbau von Infrastrukturen zählt zu den zentralen Herausforderungen in Deutschland. Das DVWG-Kolloquium der Bezirksvereinigung Oberrhein widmete sich am 29.07.2025 dem Spannungsfeld zwischen langwierigen Planungsprozessen, bürokratischen Hürden und der Notwendigkeit effizienter Projektumsetzung. Vertreter aus Praxis, Verwaltung und Politik präsentierten anhand konkreter Beispiele Hemmnisse und Lösungsansätze. Mit über 50 Teilnehmenden eine war das diesjährige DVWG-Kolloqium mehr als erfolgreich. Der vorliegende Artikel dokumentiert die Inhalte der Fachvorträge und Diskussionsergebnisse.
1. Einleitung
Deutschland steht in der Transformation seiner Infrastruktur vor enormen Herausforderungen. Neben Investitionsstaus sind es vor allem die langen Genehmigungs- und Planungszeiträume, die Fortschritt ausbremsen. Insbesondere in den Bereichen Verkehr, Energie und Digitalisierung besteht ein erheblicher Reformbedarf. Das Kolloquium der DVWG Bezirksvereinigung Oberrhein befasste sich mit den Ursachen dieser Verzögerungen und diskutierte Ansätze für einen Bürokratieabbau und eine Beschleunigung von Verfahren.
2. Fachvorträge: Einblicke aus Praxis und Politik
2.1. Reaktivierung von Eisenbahninfrastruktur – Die Hermann-Hesse-Bahn
Frank von Meißner, Geschäftsführer des Zweckverbands Hermann-Hesse-Bahn, stellte in seinem Vortrag die Wiederinbetriebnahme einer stillgelegten Strecke vor. Die Reaktivierung, ein vergleichsweise überschaubares Projekt, wurde durch langwierige Verfahrensschritte, zahlreiche Gutachten, der Berücksichtigung von Umwelt- und Tierwohl, wie beispielsweise den Bau eines Fledermaustunnels, und unklare Zuständigkeiten erheblich verzögert. Das Beispiel illustriert exemplarisch die Realität vieler lokaler Infrastrukturprojekte.
2.2. Brückenmodernisierung: beschleunigen oder skalieren?
Dr.-Ing. Jochen Eid von der Autobahn GmbH des Bundes analysierte die Sanierungs- und Erneuerungsbedarfe im Brückenbau. Er plädierte für eine Skalierung der Prozesse und für standardisierte Genehmigungsrahmen. Insbesondere digitale Prüfverfahren und modulare Verfahren könnten hier Zeitgewinne ermöglichen.
2.3. Planungskultur in der Schweiz – Großprojekt Zürich Stadelhofen
Mark Weber-Lenkel, Gesamtprojektleiter bei der Schweizerischen Bundesbahn (SBB AG), demonstrierte am Beispiel des Bahnausbaus in Zürich Stadelhofen die Vorzüge des schweizerischen Systems. Dort dauern Genehmigungsverfahren selten länger als 12 bis 18 Monate – ein deutlicher Kontrast zu deutschen Verhältnissen mit bis zu zehn Jahren Laufzeit. Klare Prozesse, frühe Beteiligung und Vertrauen zwischen den Akteuren wurden als Erfolgsfaktoren benannt.
2.4. Gesetzgeberische Rahmenbedingungen und politische Willensbildung
Ulrich Janischka (EnBW, Leiter Landespolitik und Grundsatzfragen) gab Einblick in die politischen Rahmenbedingungen für Genehmigungsverfahren. Trotz zunehmender politischer Bereitschaft zur Reform seit der „Zeitenwende“ bestehe weiterhin erheblicher Handlungsbedarf. Besonders bei Energieprojekten stünden beschleunigte Verfahren im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, Bürgerbeteiligung und Versorgungssicherheit.
3. Diskussionsbeiträge: Analyse der Hemmnisse
Im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion identifizierten die Referierenden zentrale Problembereiche:
- Regulatorische Selbstblockade: Planungsprozesse sind durch zahlreiche formale Anforderungen und redundante Prüfschritte überfrachtet.
- Lange Verfahren: Im Vergleich zur Schweiz (12–18 Monate) dauern Genehmigungsprozesse in Deutschland häufig bis zu 10 Jahre und länger.
- Fehlende Digitalisierung: Die schleppende Einführung digitaler Genehmigungssysteme führt zu Medienbrüchen und Ineffizienz.
- Unklare Zuständigkeiten und mangelnde Kommunikation: Viele Projekte leiden an der Koordination zwischen Beteiligten und Behörden.
4. Handlungsempfehlungen: Lösungsansätze aus der Praxis
Die Referierenden formulierten konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Planungslandschaft:
- Planungskontinuität und Qualität: Einheitliche Standards und kontinuierliche Projektbegleitung fördern effiziente Abläufe.
- Frühzeitige Stakeholder-Kommunikation: Einbindung der Betroffenen reduziert spätere Konflikte und Klageverfahren.
- Klare Zuständigkeiten: Eindeutige organisatorische und rechtliche Verantwortlichkeiten verkürzen Entscheidungswege.
- Vertrauensbasierte Zusammenarbeit: Vertrauen zwischen Verwaltung, Projektträgern und Öffentlichkeit wurde als Grundlage schnellerer Verfahren hervorgehoben.
Digitalisierung wurde dabei als Querschnittsaufgabe verstanden, die auf allen Ebenen unterstützend wirken kann – sei es bei Antragsverfahren, Dokumentation oder Abstimmung.
5. Schlussfolgerung
Das DVWG-Kolloquium 2025 zeigte eindrucksvoll, dass Deutschland über das notwendige Wissen verfügt, um Planungsprozesse zu beschleunigen – es fehlt jedoch häufig an Umsetzungskraft und an strukturellen Reformen. Vorbilder wie die Schweiz demonstrieren, dass Rechtsstaatlichkeit und Geschwindigkeit vereinbar sind. Entscheidend sind ein Wandel in der Planungskultur sowie ein Umdenken bei politischen und administrativen Akteuren.
Die DVWG wird die Debatte in kommenden Veranstaltungen und Publikationen fortsetzen und damit zur Entwicklung praxisorientierter Reformvorschläge beitragen.
Literaturhinweise (Auswahl):
- Eid, J. (2025): Vortrag beim DVWG-Kolloquium: "Brückenmodernisierung – beschleunigen oder skalieren?"
- Janischka, U. (2025): Vortrag: "Genehmigungsverfahren – politische und gesetzgeberische Perspektiven"
- Weber-Lenkel, M. (2025): Vortrag: "Planungsprozesse bei der SBB"
- von Meißner, F. (2025): Vortrag: "Wiederinbetriebnahme einer Eisenbahnstrecke – Hermann-Hesse-Bahn"
- Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): Verschlankung von Infrastrukturverfahren (2024)
Von Dr. Martin Kagerbauer
Für unsere Mitglieder stehen die Präsentationen der Referierenden im geschützten Mitgliederbereich zur Verfügung.