Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Verkehr und Bauen Grant Hendrik Tonne hat die gemeinsame Arbeit von Ministerium und Deutscher Verkehrswissenschaftlicher Gesellschaft Niedersachsen-Bremen (DVWG) bekräftigt und den Anspruch an belastbare Verkehrsprognosen unterstrichen. Prognosen müssten nachvollziehbar, überprüfbar und regelmäßig am Ist-Verlauf gespiegelt werden. Nur so entstünden tragfähige Grundlagen für Investitionen in die Schienen- und Verkehrsinfrastruktur des Landes. Die enge Verzahnung von Verwaltungserfahrung und wissenschaftlicher Analyse sei dabei ein klarer Qualitätsgewinn.
Zum Auftakt ordnete DVWG-Geschäftsführer Hans-Peter Wyderka die Rolle der Langfristprognosen in der Bundesverkehrswegeplanung ein und zeigte, wie stark politische, wirtschaftliche und technische Annahmen die Ergebnisse prägen. Dr. Victoria Rössler (HTC Hamburg) illustrierte am Vergleich von Prognosen und tatsächlicher Verkehrsentwicklung, wo systematische Abweichungen entstehen – und welche methodischen Stellschrauben nötig sind, damit Prognosen ihrem Zweck als belastbare Entscheidungsgrundlagen gerecht werden. Sie verdeutlichte, dass ein Übergewicht verkehrspolitischer Prämissen den Schienengüterverkehr gegenüber dem Personenverkehr strukturell benachteiligt und dazu führt, dass vor allem Großprojekte im Mittelpunkt stehen. Demgegenüber könnten nach ihrer Einschätzung gerade kleinere, schneller umsetzbare Maßnahmen – etwa zusätzliche Zugänge zum Schienennetz und leistungsfähige Knoten – kurzfristig erhebliche Potenziale für mehr Schienengüterverkehr heben.
Prof. Dr. Kai Nagel (TU Berlin) skizzierte Ansätze, den Bewertungsrahmen zu schärfen und Szenarien robuster zu kalkulieren – insbesondere dort, wo Nutzen-Kosten-Vergleiche innerhalb eines Verkehrsträgers gut funktionieren, aber zwischen Straße, Schiene und Wasserstraße klare Leitbilder und konsistente Annahmen gebraucht werden.
In seinem Statement „Stadt, Bahn, Fluss – Prognose und Wirklichkeit in Niedersachsen“ hob Minister Tonne die besondere Bedeutung realistischer Annahmen im Schienenbereich hervor. Ambitionierte Zielbilder – etwa umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen für den Personenfernverkehr – dürften Prognosen nicht dominieren, wenn Infrastruktur, Finanzierung und Zeithorizonte noch unsicher seien und auch die Nachfrage nach entsprechenden Verkehrsangeboten nicht unterlegt werden kann. Für Niedersachsen, das als Hinterland wichtiger Seehäfen und mit großem Bedarf an leistungsfähigen Ost-West-Verbindungen fungiert und für den bereits heute steigenden Personenverkehr seien flächenorientierte Lösungen und kurzfristig wirksame Kapazitätsgewinne entscheidend. Beim Schienengüterverkehr brauche es eine stärkere Einbindung in Takt- und Infrastrukturplanungen, multimodale Ketten und eine Auswertung verfügbarer Datenspuren, um Engpässe schneller zu erkennen und zu beheben. Er hob hervor, dass mit einer soliden Einbeziehung der Länder bei der Erstellung der Grundlagen für die Bundesverkehrswegeplanung ein deutlich besseres Fundament – auch bei den Prognosen -erreichbar sei.
Prof. Dr. Klaus H. Holocher (Jade Hochschule) fasste die Diskussion zusammen: Nötig sind bessere Datenbasen, konsequenter Szenario-Vergleich und ein regelmäßiges Monitoring von Prognose und Realität. So werde sichtbar, wo nachgesteuert werden muss – und wo sich Investitionen besonders wirksam entfalten. Die Kooperation zwischen DVWG und Land Niedersachsen setzt hier an und wird weitere Schwerpunktthemen gemeinsam aufbereiten.
Die Moderation lag bei Prof. Dr. Iven Krämer (DVWG Niedersachsen-Bremen), der die fachlichen Linien präzise zusammenführte.
