Im Rahmen des DVWG-Forums am 6. Dezember 2024 hielt Prof. Dr. Christian Butz einen viel beachteten Vortrag zum Thema “Urbane Mobilität der Zukunft – Herausforderungen und Lösungsansätze am Beispiel Berlins”. Seine langjährige Expertise im Bereich Logistik und Verkehrsoptimierung macht ihn zu einem gefragten Gesprächspartner, um die aktuellen Entwicklungen und zukünftigen Trends im Mobilitätssektor zu beleuchten. Mit dem Logistikexperten der Berliner Hochschule für Technik sprechen wir über die Herausforderungen der urbanen Mobilität und innovative Lösungsansätze, die sowohl auf die Verkehrs- als auch die Logistikproblematik in Städten wie Berlin abzielen.
Herr Prof. Dr. Butz, Ihr Vortrag hat viele spannende Aspekte zur Urbanisierung und der steigenden Flächenbelastung durch den Pkw-Verkehr beleuchtet. Welche Lösungsansätze sehen Sie für eine nachhaltige urbane Logistik?
Butz: In den letzten Jahren sind einige interessante Ansätze entstanden, die von der gezielten Förderung der Elektromobilität bis hin zur gezielten Verbesserung der Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger zur Unterstützung der Multimodalität reichen. Vor allem aber gilt es, die rasante Entwicklung von KI und anderen smarten Technologien in der urbanen Logistik zu nutzen.
Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, war die Bedeutung von Cross-Industry-Innovationen. Welche Rolle spielen diese bei der Entwicklung effizienter Mobilitäts- und Logistiklösungen?
Butz: Wissens- und Innovationstransfer ist ein unglaublich spannendes Feld, das mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Branchenübergreifende Innovationen können eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung effizienter Mobilitäts- und Logistiklösungen spielen, da sie die Synergien zwischen verschiedenen Branchen nutzen, um neue, oft bahnbrechende Lösungen zu schaffen. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage: Welche Analogien lassen sich zwischen den betrachteten Bereichen erkennen und wo passen möglicherweise die gleichen Lösungen?
Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Wie lässt sich dies mit wirtschaftlicher Effizienz in Einklang bringen?
Butz: Gerade der Verkehrssektor bietet viele Möglichkeiten, positive ökologische und ökonomische Effekte parallel zu erzielen. Ich denke dabei zum Beispiel an eine moderne Transportplanung, die Leerkapazitäten und unnötige Transporte vermeidet. So werden die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge und die gefahrene Strecke reduziert - was einerseits die Umwelt schont und andererseits die Kosten durch weniger eingesetzte Fahrzeuge senkt.
Vielfach werden Lösungen ja von Unternehmen erwartet, um den Anforderungen der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden. Was können wir als Nutzerinnen und Nutzer der Angebote gegebenenfalls dazu beitragen?
Butz: Wir müssen uns als Gesellschaft hinterfragen, ob wir persönlich durch unser Verhalten zu Lösungen beitragen können. Es stellt sich die Frage, warum wir so zögerlich sind, Gewohnheiten abzulegen. Brauchen wir unsere Bestellung „next day“ oder gar „same day“? Müssen wir immer und überall mit dem Auto fahren? Gibt es Möglichkeiten, unser Verhalten im Sinne einer gesteigerten Rücksichtnahme – nicht nur gegenüber der Umwelt – zu beeinflussen? Eine spannende Fragestellung mit einer besonderen Schnittstelle zur Psychologie.
Die digitale Transformation wird oft als Allheilmittel betrachtet. Welchen konkreten Beitrag leistet die Digitalisierung zur zeitnahen Optimierung von Transportprozessen und zur Reduzierung von Emissionen?
Butz: Ein wesentlicher Beitrag der digitalen Transformation z. B. durch intelligente Softwarelösungen liegt vor allem in der Schnelligkeit der Informationsverarbeitung unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Parameter. Durch eine cloudbasierte, interaktive Routenplanung mit Hilfe von GPS-Daten und Echtzeit-Verkehrsinformationen können Staus reduziert und unnötige Umwege vermieden werden.
Neben politischen Unsicherheiten stellen auch Handelszölle ein Risiko für globale Lieferketten dar. Welche Strategien empfehlen Sie, um diese Risiken durch intelligente Logistiklösungen zu minimieren?
Butz: Die Resilienz von Lieferketten kann meines Erachtens vor allem durch zwei Strategien unmittelbar verbessert werden. Zum einen tragen Multi-Sourcing-Ansätze durch eine stärkere Diversifizierung dazu bei, Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu verringern. Zum anderen kann durch ein verstärktes Nearshoring, die Lieferkettenlänge deutlich reduziert und damit die Möglichkeit des Eintretens eines externen Risikos vermindert werden.
Wenn wir einen positiven Blick in die Zukunft richten: Welche Trends und Innovationen erwarten Sie in den nächsten Jahren im Bereich der Verkehrslogistik?
Butz: Ich sehe die Automatisierung und Künstliche Intelligenz in der Verkehrslogistik auf dem Vormarsch und verstehe sie als Chance. Sie wird zukünftig autonome Lkw ermöglichen, die durch KI-gestützte Routenplanung effizient ihr Ziel ansteuern und so eine Verkehrsflusssteuerung und Kapazitätsauslastung in Echtzeit unterstützen. Im urbanen Raum wird die Entstehung von Smart Cities weiter voranschreiten und Micro-Hubs die dezentrale Lagerung und eine schnellere Lieferung in Städten ermöglichen.
In unserem Jungen Forum engagieren sich die Talente von morgen. Welche Empfehlungen würden Sie jungen Logistik-Expert:innen für ihre berufliche Entwicklung geben?
Butz: Abseits von den wichtigen und richtigen Ratschlägen wie Soft Skills entwickeln, eigene Netzwerke und Beziehungen aufbauen und sich regelmäßig weiterzubilden gebe ich vor allem einen Ratschlag: Seien Sie neugierig und bleiben Sie neugierig, ein Leben lang! Versuchen Sie Chancen zu erkennen und denken sie bei jeder Gelegenheit darüber nach, wie gemachte Erfahrungen in ihren Wirkungsbereich transferiert werden können. Und vor allem: Überlassen sie das Wissen nicht der KI! Selbst erlebte Erfahrungen und angeeignete Kompetenzen und deren Verknüpfung ist die spannendste Eigenschaft, die sie auch in der beruflichen Entwicklung voranbringen wird.
Abschließend würde mich interessieren: Welche Vision verfolgen Sie in Ihrer akademischen und forschenden Tätigkeit in den kommenden Jahren?
Butz: Ich strebe vor allem zwei Dinge an: In der Forschung möchte ich mich weiter neuen, spannenden themenübergreifenden Forschungsfeldern im Kontext von urbaner Mobilität, Verhalten und dem Innovationstransfer widmen. Mein Ziel ist es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die sowohl akademisch als auch gesellschaftlich relevant sind und diese auch aktiv in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Dazu zählt auch die die Förderung und Entwicklung des Nachwuchses – insbesondere durch den Transfer von Forschungsergebnissen in die Lehre.
Und welche Rolle sehen Sie für die DVWG bei der Förderung von Wissenstransfer und Innovation im Mobilitätssektor?
Butz: Die DVWG spielt für mich eine zentrale Rolle als Brücke zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, um den wichtigen Wissenstransfer im Mobilitätssektor zu fördern. Durch Fachveranstaltungen, Publikationen und Netzwerkarbeit ermöglicht sie einen effektiven Austausch über neue Forschungsergebnisse und innovative Konzepte.
Das Interview führte Steffen Opitz
Das Interview steht Ihnen hier als Download zur Verfügung.
Das Interview erschien der DVWG Mitgliederzeitschrift DVWG aktuell. Sie erscheint viermal im Jahr und bietet einen kompakten, fundierten Überblick über die Aktivitäten und Themen der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e. V. (DVWG) und ihrer Partner.
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